Ergonomie, Neuro-Ergonomie und das viele Sitzen
Probleme und Lösungen für Schreibtisch-Arbeiter
Neuro-Ergonomie bietet großes Potenzial für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsergebnisse in den unterschiedlichsten Bereichen. - Foto: Haider Bioswing
Der DKV-Report 2023 zeigt erneut: Die Menschen in Deutschland sitzen zu viel und zu lange. Allerdings kann man das das Sitzen nicht einfach von heute auf morgen abschaffen. Welche ergonomischen Möglichkeiten bieten also eine relevante und nachhaltige Verbesserung für Vielsitzer?
In Zusammenarbeit mit der Sporthochschule Köln und unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Ingo Froböse wurde in einer repräsentativen Umfrage für den DKV-Report 2023 das Gesundheits- und Bewegungsverhalten untersucht. Das Ergebnis: Seit der letzten Befragung im Jahr 2021 hat sich die reine Sitzzeit pro Tag um eine halbe Stunde auf durchschnittlich 554 Minuten erhöht. War schon die Corona-Pandemie ein Treiber für vermehrtes Sitzen, zeigen die aktuellen Daten, dass auch in der „Nach-Corona-Zeit“ keine Besserung in Sicht ist. Mehr als 80.000 Stunden verbringen Büromenschen während ihres Arbeitslebens im Sitzen – mit gravierenden Folgen.
Gegensteuern dank Ergonomie
Ergonomie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der Gestaltung von Arbeitsplätzen, Produkten, Systemen und Umgebungen befasst, um die Leistungsfähigkeit, Sicherheit, Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen zu optimieren. Das Hauptziel der Ergonomie besteht darin, die Arbeitsbedingungen an die Fähigkeiten, Grenzen und Bedürfnisse des Menschen anzupassen, anstatt den Menschen an die Arbeitsbedingungen anzupassen.
Teilbereiche der Ergonomie
Die Teilbereiche der Ergonomie konzentrieren sich auf verschiedene Aspekte der menschlichen Tätigkeiten und Arbeitsumgebungen.
Die physiologische Ergonomie befasst sich mit den körperlichen Aspekten der Arbeitsumgebung, wie der Gestaltung von Möbeln, Werkzeugen und Arbeitsplätzen, um eine bequeme und gesunde Körperhaltung zu fördern und muskuläre Belastungen zu minimieren.
Die kognitive Ergonomie konzentriert sich auf die geistigen Prozesse, wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Entscheidungsfindung. Ziel ist es hier, die Arbeitsaufgaben so zu gestalten, dass sie gut zu den kognitiven Fähigkeiten des Menschen passen und die kognitive Belastung reduziert wird.
Die organisatorische Ergonomie befasst sich mit der Gestaltung von Arbeitsabläufen, -zeiten und -strukturen, um die Effizienz, Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter zu verbessern.
Die Umweltergonomie betrifft zu guter Letzt die Anpassung der Arbeitsumgebung an die Bedürfnisse der Menschen, einschließlich Beleuchtung, Klima, Lärm und anderen Umweltfaktoren.
Neuro-Ergonomie: Ergonomie im Zusammenspiel mit Nervensystem und Gehirn
Was bei der klassischen Ergonomie oft im Hintergrund bleibt, ist die Betrachtung des Zusammenspiels der biomechanischen Komponenten mit Nervensystem und Gehirn. Diese Aufgabe kommt der Neuro-Ergonomie zu − einem multidisziplinären Feld, das die Zusammenarbeit von Neurowissenschaften und Ergonomie kombiniert. Sie erforscht die Wechselwirkungen zwischen menschlichem Gehirn, Nervensystem und Arbeitsumgebung, um das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und die Sicherheit von Menschen bei der Ausübung von beruflichen Tätigkeiten zu verbessern.
Das Hauptziel der Neuro-Ergonomie ist ein besseres Verständnis für die kognitiven Prozesse, die Wahrnehmung, das Verhalten und die Interaktionen des Menschen mit seiner Arbeitsumgebung. Durch die Anwendung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse lassen sich Arbeitsplätze, Werkzeuge und Systeme so gestalten, dass sie den kognitiven Fähigkeiten und den Grenzen des menschlichen Gehirns gerecht werden.
Wichtige Aspekte der Neuro-Ergonomie
Untersuchung der Auswirkungen von Aufgaben und Arbeitsbedingungen auf die kognitive Belastung und die Aufmerksamkeit des Menschen.
Erforschung, wie Menschen Entscheidungen treffen und wie Arbeitsumgebungen gestaltet werden können, um optimale Entscheidungsprozesse zu unterstützen.
Untersuchung von Stressfaktoren am Arbeitsplatz und Strategien zur Stressbewältigung, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu verbessern.
Analyse der Interaktionen zwischen Menschen und computergestützten Systemen, um die Benutzerfreundlichkeit und Effizienz zu verbessern.
Entwicklung von optimalen Arbeitsbedingungen, um die Produktivität, Sicherheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu fördern.
Nutzung von neurowissenschaftlichen Methoden zur Bewertung von individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften für spezifische berufliche Tätigkeiten.
Neuro-Ergonomie bietet großes Potenzial für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsergebnisse in den unterschiedlichsten Bereichen. Durch die Integration von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen können Arbeitsplätze sicherer, effizienter und angenehmer gestaltet werden, was zu einer gesteigerten Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter führt.
Gehirn und Muskulatur
Um die Situation in Büros oder im Homeoffice ganzheitlich zu verstehen, muss auch das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Muskulatur analysiert werden, da dieses von entscheidender Bedeutung für jegliche Bewegung und Muskelaktivität im Körper ist. Das Zusammenspiel ermöglicht es, die Muskeln präzise zu steuern, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen – egal ob einfache alltägliche Bewegungen wie Gehen, Greifen und Sitzen oder komplexe motorische Fähigkeiten wie Tanzen oder Sport.
Hier ein kurzer Überblick über das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Muskulatur:
Die motorische Kontrolle wird hauptsächlich durch Bereiche im Gehirn ausgeübt, die als motorische Cortex bezeichnet werden. Der primäre motorische Cortex, der sich in der Großhirnrinde befindet, ist für die Generierung von willkürlichen Bewegungen verantwortlich. Weitere Regionen des Gehirns, wie das Kleinhirn und die Basalganglien, sind ebenfalls an der Koordination und Feinabstimmung von Bewegungen beteiligt.
Wenn wir uns entscheiden, eine Bewegung auszuführen, sendet das Gehirn elektrische Impulse entlang der Nervenbahnen, die als motorische Neuronen bezeichnet werden. Diese Impulse erreichen die Muskulatur und führen dazu, dass sich die Muskelfasern zusammenziehen, wodurch die gewünschte Bewegung ausgeführt wird.
Während der Bewegung liefert das sensorische System kontinuierlich Informationen an das Gehirn über den Fortschritt der Bewegung und die Position der Gliedmaßen im Raum. Dieses Feedback ist entscheidend für die Anpassung und Feinabstimmung der Bewegungen, um sicherzustellen, dass sie präzise und angemessen sind.
Das Gehirn kann Bewegungen durch Lernen und Erfahrung verbessern. Wenn wir eine bestimmte Bewegung häufig wiederholen, entwickeln sich neuronale Verbindungen im Gehirn, die diese Bewegung effizienter machen. Dieser Prozess wird als motorisches Lernen bezeichnet und trägt dazu bei, dass wir Bewegungen automatisch und geschmeidig ausführen können.
Neben der willkürlichen Steuerung von Bewegungen gibt es auch Reflexe, die schnelle, unwillkürliche Reaktionen auf bestimmte Reize ermöglichen. Reflexe sind oft Schutzmechanismen, die den Körper vor möglichen Gefahren schützen, indem sie blitzschnelle Reaktionen auf potenziell schädliche Stimuli auslösen, noch bevor das Gehirn die Informationen vollständig verarbeitet hat.
Insgesamt bildet das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Muskulatur die Grundlage für unsere motorischen Fähigkeiten und ermöglicht es uns, unsere Umwelt zu erkunden, Aufgaben zu erfüllen und in der Welt aktiv zu sein. Menschen mit Bürojobs haben in den Sitzphasen in der Regel ein Defizit an relevanten Bewegungsinformationen für eine optimale Steuerung des sensomotorischen Systems.
Ziel: physiologische Bewegungsprogramme
Gesteuert werden die Muskeln durch Gehirn und Nervensystem, welche gleichzeitig Informationen aus unzähligen Bewegungsrezeptoren, Augen, Gleichgewicht, Tastsinn und einigen weiteren Quellen verarbeiten und daraus passende Bewegungsprogramme generieren − im Falle vom Bürositzen hauptsächlich Halte- und Stabilisierungsprogramme.
Der Vorteil von solchen körpereigenen motorischen Programmen ist, dass sie ohne Bewusstsein und automatisiert ablaufen und das Gehirn bei der Steuerung wesentlich weniger Energie benötigt. Der Nachteil: Auch unphysiologische motorische Programme werden aktiviert, wenn sie lange genug trainiert wurden. Dadurch erklären sich unter anderem die vielen Rückenbeschwerden, über die vor allem Vielsitzer häufig klagen.
Dem Gehirn kommt die Aufgabe zu, alle zur Verfügung stehenden Daten und Informationen in Millisekunden zu analysieren, zu bewerten und perfekt zu koordinieren. Je besser (qualitativ und quantitativ) die eingehenden Bewegungsdaten sind, umso besser die Koordinationsfähigkeit. Bei wenig Input, also beispielsweise bei konzentrierter Bildschirmarbeit, sinkt der Bewegungsinput rapide und das Nervensystem kann das komplexe Muskelspiel nicht mehr optimal steuern.
In komplexen Systemen spielt das Zusammenspiel aller Komponenten eine große Rolle. Ist ein Teil der Kette nicht für die vorgesehene Aufgabe bereit, sucht das Gehirn eine Alternativlösung. Im Falle der permanent notwendigen Stabilisierung der Wirbelsäule greift die sensomotorische Steuerung auf eine Muskelgruppe zu, deren eigentliche Aufgabe nicht die Stabilisierung der Wirbelkörper ist (polysegmentale Muskulatur).
Wenn diese Muskeln nun dauerhaft kontrahieren müssen (z. B. bei Bildschirm- oder Bürotätigkeiten), werden Stoffwechselrestprodukte nicht mehr richtig ausgeschieden, von den Nozizeptoren als schädlicher Reiz erkannt, worauf als Schutzmechanismus Signale über das periphere Nervensystem an das zentrale Nervensystem gesendet werden. Vom Gehirn werden die Signale als konkrete Schmerzempfindung interpretiert, die Menschen im Büro oder Homeoffice nur allzu gut kennen.
Foto: SciePro/AdobeStock
Spezieller Bürostuhl kann Abhilfe für Vielsitzer schaffen
Dieser bewegungsfördernde Bürostuhl aktiviert, trainiert, mobilisiert, stabilsiert und sorgt für ein angenehmes Sitzgefühl.
Eine unter der Sitzfläche des Bioswing-Stuhles integrierte adaptive Schwingmechanik entkoppelt und reflektiert die beim Sitzen entstehende Bewegungsimpulse präzise und nachhaltig. Diese Bewegungs-Rückkopplungstechnologie wurde an die Körperlogik des Menschen und sein Bewegungsspektrum beim Sitzen angeglichen und ist darauf ausgelegt, den menschlichen Bewegungsablauf zu unterstützen und gleichzeitig möglichst viele (neuro-) ergonomische Sitzpositionen zu fördern.
Wenn Büromenschen das volle Potenzial der Mechanik nutzen, können sie Sitzphasen zu einem automatischen Bewegungstraining machen und so Rückenschmerzen und Bewegungsmangel wirkungsvoll vorbeugen. Denn die vom Sitzenden ausgehende Bewegungsimpulse werden nicht mehr gebremst, sondern reflektiert, was zu äußerst positiven Ergebnissen führt.
- Die kleinen Bewegungen trainieren und stabilisieren automatisch die Stabilisierungsmuskulatur der Wirbelsäule.
- Das Gehirn erhält auf Grund dieser regelmäßigen, kleinen Bewegungen relevante Bewegungsdaten, die die Verschaltung im Gehirn anregen und dadurch die Koordination und die motorischen Programme der Muskelsteuerung optimieren.
- Kleine aktive Bewegungsübungen (z. B. Hula-Hoop) verbessern die Stabilisierung der Tiefenmuskulatur. Schon 15 bis 20 Sekunden immer wieder zwischendurch reichen aus, um die rund 150 kleinen Muskeln entlang der Wirbelsäule gezielt zu aktivieren.
Bioswing-Posturomed: für ein schmerzfreies und leistungsfähiges Bewegungssystem
Das „Bioswing-Posturomed“ hat als sensomotorisches Therapie-, Präventions- und Befunderhebungsgerät die Grundausstattung von Praxen nachhaltig beeinflusst und sogar eine eigenständige Therapie-Methode hervorgebracht: die „posturale Schmerztherapie“. Mehr als 50.000 Therapeuten in Rehazentren, Kliniken und Physiotherapiepraxen nutzen diese Technologie jeden Tag.
Durch die dosierte Provokation der motorischen Steuerung und Regelung aus der Somato-Sensorik in einer geschlossenen Bewegungskette auf dem Bioswing Posturomed kann eine optimale Qualität der posturalen Aktionen und Reaktionen ausgearbeitet werden. Diese Aktivierung der segmentalen, sektoralen und polysegmentalen Koordination dient der Stabilisation der tragenden Gelenke und der Wirbelsäule. Denn ein stabiles sensomotorisches System bildet die Grundlage eines schmerzfreien und leistungsfähigen Bewegungssystems.