Krummes Sitzen sensibilisiert für gerades Sitzen
Spürt man die Folgen einer krummen Körperhaltung am eigenen Leibe, fällt es hinterher leichter, aufrecht zu sitzen.
Foto: Africa Studio/AdobeStock
Eine interessante Sitzhaltestudie aus dem Jahr 2018 befasst sich mit dem Effekt des krummen Sitzens für das gerade Sitzen. Die Autoren kommen in ihrer Publikation in der Fachzeitschrift Biofeedback zu dem Schluss, dass krummes Sitzen das Körperbewusstsein für gerades Sitzen sensibilisiert.
Um zu untersuchen, welche Effekte krummes Sitzen auf das Körperbewusstsein von Probanden ausübt, führten die Autoren mehrere Experimente durch: Zunächst bekamen 87 junge Erwachsene Probanden die Aufgabe, in einer aufrecht sitzenden Körperhaltung den Kopf nach beiden Seiten zu rotieren. Anschließend sollten Sie diese beidseitige Kopfrotation wiederholen, nur diesmal in einer vorgeneigten Kopfposition. Das Ergebnis war eindeutig: 92 Prozent der Probanden konnten ihren geneigten Kopf nicht mehr so gut rotieren wie in der zuvor aufrechten Körperposition.
Problem „Smartphone-Nacken“
An einem weiteren Versuch nahmen 125 junge Erwachsene teil. Diese sollten in einer vorgeneigten Kopfposition 30 Sekunden verharren. Eine typische Haltung, wie wir dies im Alltag bei Menschen beobachten können, die sich beispielsweise mit ihrem Smartphone beschäftigen. Nach diesen 30 Sekunden in einer ungünstigen, weil biomechanisch belastenden Haltung gaben nahezu alle beteiligten Probanden Schmerzen im Nacken, Druck und Schmerz im Kopf bis in die Augenregion an. Der durchschnittliche Schmerz auf einer numerischen Schmerzskala von 0 bis 10 wurde mit 5,3 im Mittel angegeben.
Ein weiteres Experiment aus der Studie: Zwölf junge Erwachsene saßen zunächst aufrecht, anschließend sollten Sie das Kinn für 30 Sekunden nach vorne schieben. Eine typische Position, die häufig bei Arbeiten am PC-Monitor zu beobachten ist, wenn entweder der Monitor zu klein ist, der Monitor zu weit weg steht oder der Betroffene eine nicht korrigierte Kurzsichtigkeit hat. Bei diesem Experiment wurden die Aktivitäten der großen Nackenmuskeln elektromyografisch erfasst. Das Ergebnis: In der ungünstigen, vorgeschobenen Kopfposition war eine deutlich erhöhte Muskelaktivität darzustellen. Eine solche Haltung ist also nicht nur ein biomechanisches, sondern möglicherweise auch ein neurophysiologisches Problem.
Fühlen ist wirkungsvoller als Ratschläge
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine absichtlich eingenommene, krumme Körperhaltung, die entstehenden Symptome der vermehrten Belastung des Bewegungsapparates bewusst macht. Die meisten Probanden der Studie waren überrascht, wie schnell eine krumme Körperhaltung entsprechende Symptome hervorruft. Wer die krumme Körperhaltung einnimmt und die Symptome erspürt, dem fällt es leichter, eine gerade Körperhaltung einzunehmen. Das Fühlen ist wirkungsvoller, als von außen den Hinweis zu bekommen, aufrecht zu sitzen.
Fazit: Krummes Sitzen kann schnell schmerzhafte und bewegungseinschränkende Symptome unseres Bewegungsapparates hervorrufen. Eine kurzfristig eingenommene krumme Sitzhaltung macht uns deshalb die Folgen bewusst, die dauerhaft krummes Sitzen haben könnte und sensibilisiert uns fr eine bessere Körperhaltung beim Sitzen. Daraus lässt sich aber auch die Bedeutung eines geeigneten Sitzsystems ableiten, welches durch eine entsprechende Formgebung und Ausstattung eine aufrechte Körperhaltung nachhaltig ermöglicht und unterstützt.