Faktencheck: Ergonomischer Bürodrehstuhl Gesundheitskiller oder Heilsbringer?
Weniger Beschwerden am Schreibtisch
Immer mehr Menschen gehen einer Bürotätigkeit nach. Gleichzeitig steigt die Zahl der Menschen mit Rückenschmerzen. Können ergonomische Bürostühle dem entgegenwirken? Im mendo:movo-Faktencheck erläutert Dr. Dieter Breithecker, ob und wie ein ergonomischer Bürostuhl Rückenbeschwerden vorbeugen kann – und was noch zu einem beschwerdefreien Arbeitsalltag gehört.
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Rückenschmerzen haben grundsätzlich vielfältige Ursachen. Eine davon ist mit Sicherheit auch jenes Verhalten, auf das unser Gehirn grundsätzlich nicht vorbereitet ist: Stundenlanges Sitzen. Das Gehirn regelt die komplexen Vorgänge in unserem Körper, und es reagiert auf Bedürfnisse, die entstehen, die dem Gehirn ganz massiv signalisieren: Es muss etwas geschehen, damit das Wohlbefinden und im Extremfall das Überleben gewährleistet sind. Dann reagiert das Gehirn so, wie es seit Millionen von Jahren eingeübt ist. Sitzt man stundenlang auf einem Stuhl, während das Gehirn es gewöhnt ist, dass man sich regelmäßig bewegt – dann weiß das Gehirn nicht, was es damit anfangen soll. Der Schmerz ist die Rückmeldung, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Zugleich ist Sitzen fester Bestandteil unseres Alltags, und das bis zu 10 Stunden täglich – das macht uns krank. Zwar empfehlen Experten, maximal sechs Stunden am Tag während der Arbeit und in der Freizeit sitzend zu verbringen, den Rest des Tages zu stehen und sich immer wieder zu bewegen. Aber selbst das ist utopisch. Es kommt insofern darauf an, das Sitzen so unschädlich wie möglich zu gestalten.
Ein guter ergonomischer Bürostuhl muss hier zumindest unterstützen. Grundsätzlich sollte er eine überschaubare Einstellbarkeit haben, damit der Sitzkomfort gewährleistet ist und es keine drückenden Ecken und Kanten gibt. Aber das Gehirn hat nicht gelernt, mit dem passiven Sitzverhalten umzugehen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass intuitive Wechselhaltungen ermöglicht werden, die uns vor Gesundheitsbeschwerden schützen.
Beim Stehen praktiziert man genau solche intuitiven Wechselhaltungen. Man wechselt von einem Bein auf das andere Bein, es kommt zu einem leichten Spiel in der Beckenbewegung, und selbst, wenn auf begrenztem Raum werden doch intuitive Beinbewegungen erfolgen. Das ist ein sehr intelligentes, natürliches Verhalten, dass man auch auf das Sitzen übertragen muss.
Die Sitzfläche muss eine Funktion aufweisen, die komplexe intuitive Wechselhaltungen nicht blockiert, sondern sie aufnimmt, sie toleriert. Deswegen brauchen wir dringend Stuhlfunktionen mit einer in drei Dimensionen beweglichen Sitzfläche. Diese unterstützt solche bedarfsgerechten Wechselhaltungen, dann ist das Gehirn auch wieder zufrieden.
Unabhängig davon gilt aber trotzdem die Devise: So häufig wie möglich aufstehen, sich regelmäßig bewegen, die Arbeit so organisieren, dass auch bei den besten Voraussetzungen für ein dynamisches Sitzen das Sitzen deutlich über den gesamten Alltag hinweg deutlich reduziert wird.
Der mendo:movo-Faktencheck
Viele Aussagen zu den Themen Gesundheit und Bewegung werden immer wieder wiederholt. Aber stimmen sie auch? In unserer Videoreihe stellen wir solche Aussagen auf den Prüfstand.
Dr. Dieter Breithecker ist promovierter Sportwissenschaftler und Projektleiter für „Das bewegende Büro“. Primäres Anliegen der Initiative ist es, die menschlichen Lebensräume bewegungsfreundlicher zu gestalten, um damit positive Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit zu erzielen. Breithecker ist Autor und Mitautor zahlreicher Veröffentlichungen und national wie international als Referent tätig. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von mendo:movo.