Ergonomie, Neuro-Ergonomie und das viele Sitzen
Probleme und Lösungen für Schreibtisch-Arbeiter

Neuro-Ergonomie bietet großes Potenzial für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsergebnisse in den unterschiedlichsten Bereichen. - Foto: Haider Bioswing
Der DKV-Report 2023 hat erneut gezeigt: Die Menschen in Deutschland sitzen zu viel und zu lange. Seit der letzten Befragung im Jahr 2021 hat sich die reine Sitzzeit pro Tag um eine halbe Stunde auf durchschnittlich 554 Minuten erhöht. Neuere Daten aus dem Jahr 2024 zeigen sogar einen Anstieg auf 9,5 Stunden pro Tag bei Berufstätigen im Homeoffice. Einfache Lösungen sind nicht in Sicht – doch moderne ergonomische und neuro-ergonomische Ansätze schaffen neue Perspektiven.
Gegensteuern dank Ergonomie
Ergonomie ist die Wissenschaft der optimalen Mensch-Umwelt-Interaktion. Ihr Ziel ist es, Arbeitsplätze so zu gestalten, dass Gesundheit, Wohlbefinden, Sicherheit und Leistungsfähigkeit verbessert werden. Dabei geht es nicht darum den Menschen an die Arbeitsbedingungen anzupassen. Stattdessen sollen die Arbeitsbedingungen an den Fähigkeiten, Grenzen und Bedürfnissen des Menschen ausgerichtet werden. Teilbereiche sind unter anderem die physische, kognitive und neurobiologische Ergonomie.
Teilbereiche der Ergonomie
Die Teilbereiche der Ergonomie konzentrieren sich auf verschiedene Aspekte der menschlichen Tätigkeiten und Arbeitsumgebungen.
Die physiologische Ergonomie befasst sich mit den körperlichen Aspekten der Arbeitsumgebung, wie der Gestaltung von Möbeln, Werkzeugen und Arbeitsplätzen, um eine bequeme und gesunde Körperhaltung zu fördern und muskuläre Belastungen zu minimieren.
Die kognitive Ergonomie konzentriert sich auf die geistigen Prozesse, wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Entscheidungsfindung. Ziel ist es hier, die Arbeitsaufgaben so zu gestalten, dass sie gut zu den kognitiven Fähigkeiten des Menschen passen und die kognitive Belastung reduziert wird.
Die organisatorische Ergonomie befasst sich mit der Gestaltung von Arbeitsabläufen, -zeiten und -strukturen, um die Effizienz, Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter zu verbessern.
Die Umweltergonomie betrifft zu guter Letzt die Anpassung der Arbeitsumgebung an die Bedürfnisse der Menschen, einschließlich Beleuchtung, Klima, Lärm und anderen Umweltfaktoren.
Neuro-Ergonomie: Das Nervensystem im Fokus
Die Neuro-Ergonomie verbindet Neurowissenschaften mit Ergonomie. Im Zentrum steht das Zusammenspiel von Gehirn, Nervensystem, Muskulatur und Umgebung. Dabei geht es nicht nur um Haltung, sondern auch um kognitive Belastungen, Aufmerksamkeit und emotionale Regulation am Arbeitsplatz.
Wichtige Aspekte der Neuro-Ergonomie
Untersuchung der Auswirkungen von Aufgaben und Arbeitsbedingungen auf die kognitive Belastung und die Aufmerksamkeit des Menschen.
Erforschung, wie Menschen Entscheidungen treffen und wie Arbeitsumgebungen gestaltet werden können, um optimale Entscheidungsprozesse zu unterstützen.
Untersuchung von Stressfaktoren am Arbeitsplatz und Strategien zur Stressbewältigung, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu verbessern.
Analyse der Interaktionen zwischen Menschen und computergestützten Systemen, um die Benutzerfreundlichkeit und Effizienz zu verbessern.
Entwicklung von optimalen Arbeitsbedingungen, um die Produktivität, Sicherheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu fördern.
Nutzung von neurowissenschaftlichen Methoden zur Bewertung von individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften für spezifische berufliche Tätigkeiten.
Neue Anwendungen aus dem Jahr 2024 beziehen auch EEG-Feedback, mentale Zustände und sensomotorische Aktivierung ein – ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl körperliche als auch mentale Ermüdung adressiert.
Gehirn und Muskulatur: Die unterschätzte Achse
Bewegung entsteht durch ein präzises Zusammenspiel von sensorischen Informationen, zentralnervöser Verarbeitung und motorischer Steuerung:
Die motorische Kontrolle wird hauptsächlich durch Bereiche im Gehirn ausgeübt, die als motorische Cortex bezeichnet werden. Der primäre motorische Cortex, der sich in der Großhirnrinde befindet, ist für die Generierung von willkürlichen Bewegungen verantwortlich. Weitere Regionen des Gehirns, wie das Kleinhirn und die Basalganglien, sind ebenfalls an der Koordination und Feinabstimmung von Bewegungen beteiligt.
Wenn wir uns entscheiden, eine Bewegung auszuführen, sendet das Gehirn elektrische Impulse entlang der Nervenbahnen, die als motorische Neuronen bezeichnet werden. Diese Impulse erreichen die Muskulatur und führen dazu, dass sich die Muskelfasern zusammenziehen, wodurch die gewünschte Bewegung ausgeführt wird.
Während der Bewegung liefert das sensorische System kontinuierlich Informationen an das Gehirn über den Fortschritt der Bewegung und die Position der Gliedmaßen im Raum. Dieses Feedback ist entscheidend für die Anpassung und Feinabstimmung der Bewegungen, um sicherzustellen, dass sie präzise und angemessen sind.
Das Gehirn kann Bewegungen durch Lernen und Erfahrung verbessern. Wenn wir eine bestimmte Bewegung häufig wiederholen, entwickeln sich neuronale Verbindungen im Gehirn, die diese Bewegung effizienter machen. Dieser Prozess wird als motorisches Lernen bezeichnet und trägt dazu bei, dass wir Bewegungen automatisch und geschmeidig ausführen können.
Neben der willkürlichen Steuerung von Bewegungen gibt es auch Reflexe, die schnelle, unwillkürliche Reaktionen auf bestimmte Reize ermöglichen. Reflexe sind oft Schutzmechanismen, die den Körper vor möglichen Gefahren schützen, indem sie blitzschnelle Reaktionen auf potenziell schädliche Stimuli auslösen, noch bevor das Gehirn die Informationen vollständig verarbeitet hat.
Im Büroalltag fehlt es oft an Bewegungsreizen – das Gehirn erhält zu wenig Input zur Koordination der tiefen Rückenmuskulatur. Fehlhaltungen, unphysiologische Bewegungsprogramme und chronische Schmerzen sind die Folge.
Automatisierte Bewegungsprogramme: Fluch und Chance
Das Nervensystem ist ökonomisch: Es speichert häufig genutzte Bewegungsmuster. Das hilft – aber auch fehlerhafte Muster werden automatisiert. Die gute Nachricht: Durch sensomotorisches Training kann das Gehirn umlernen (Neuroplastizität). Neuere Studien zeigen, dass schon wenige Sekunden gezielter Mikrobewegung ausreichen, um neuronale Schaltkreise zu reaktivieren.
Foto: SciePro/AdobeStock
Intelligente Sitzsysteme: Dynamik statt Statik
Dieser bewegungsfördernde Bürostuhl aktiviert, trainiert, mobilisiert, stabilsiert und sorgt für ein angenehmes Sitzgefühl.
Ein Beispiel für neuro-ergonomische Anwendung ist das Bioswing-Sitzsystem. Es nutzt adaptive Mikrobewegungen, die durch eine integrierte Schwingmechanik erzeugt und reflektiert werden. Diese Technik
- aktiviert unbewusst die Stützmuskulatur,
- liefert wichtige Bewegungsinformationen ans Gehirn,
- unterstützt neuroplastische Prozesse und
- hilft, unphysiologische Programme zu überschreiben.
Neue Entwicklungen gehen noch weiter: Sensorik-basierte Stühle erkennen Gewicht, Haltung und Bewegung. KI-Algorithmen geben Feedback oder schlagen Haltungsänderungen vor – über eine App oder per LED-Signal.
Wenn Büromenschen das volle Potenzial der Mechanik nutzen, können sie Sitzphasen zu einem automatischen Bewegungstraining machen und so Rückenschmerzen und Bewegungsmangel wirkungsvoll vorbeugen. Denn die vom Sitzenden ausgehende Bewegungsimpulse werden nicht mehr gebremst, sondern reflektiert, was zu äußerst positiven Ergebnissen führt.
Bewegung statt Rückenschmerz: Studien zeigen Wirkung
Studien (u. a. TU Chemnitz, 2023) belegen: Neuro-motorische Trainingssysteme wie das BIOSWING Posturomed sind bei chronischem Rückenschmerz oft wirksamer als konventionelles Krafttraining. Sie fördern die segmentale und polysegmentale Koordination, stabilisieren Gelenke und verbessern die sensomotorische Steuerung.
Fazit
Moderne Ergonomie denkt weiter. Sie integriert Bewegungswissenschaft, Neurobiologie, Technologie und Prävention. Die Kombination aus adaptiven Bürostühlen, neuroplastischem Training und digitalem Feedbacksystem bietet einen wirkungsvollen Weg aus dem Teufelskreis aus Bewegungsmangel, Schmerzen und Leistungseinbußen – und macht aus dem Arbeitsplatz einen Ort aktiver Gesundheitspflege.
Dieser Artikel wurde zuletzt am 02.06.2025 aktualisiert (Erstveröffentlichung: 09.10.2023).
Bioswing-Posturomed: für ein schmerzfreies und leistungsfähiges Bewegungssystem
Das „Bioswing-Posturomed“ hat als sensomotorisches Therapie-, Präventions- und Befunderhebungsgerät die Grundausstattung von Praxen nachhaltig beeinflusst und sogar eine eigenständige Therapie-Methode hervorgebracht: die „posturale Schmerztherapie“. Mehr als 50.000 Therapeuten in Rehazentren, Kliniken und Physiotherapiepraxen nutzen diese Technologie jeden Tag.
Durch die dosierte Provokation der motorischen Steuerung und Regelung aus der Somato-Sensorik in einer geschlossenen Bewegungskette auf dem Bioswing Posturomed kann eine optimale Qualität der posturalen Aktionen und Reaktionen ausgearbeitet werden. Diese Aktivierung der segmentalen, sektoralen und polysegmentalen Koordination dient der Stabilisation der tragenden Gelenke und der Wirbelsäule. Denn ein stabiles sensomotorisches System bildet die Grundlage eines schmerzfreien und leistungsfähigen Bewegungssystems.