Exergames: Gesundheitsfördernder Spielspaß auch im Alter

Virtuelle Spiele erhalten die körperliche Leistungsfähigkeit

Foto: Prostock-studio/Adobe Stock

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40 % der Menschen, die mobil sind, wenn sie in ein Heim einziehen, entwickeln innerhalb von 18 Monaten Mobilitätseinschränkungen (Wingenfeld, 2014). Und auch generell weisen Heimbewohner*innen eine extrem niedrige körperliche Leistungsfähigkeit auf. Daher sind Programme zum Erhalt und zur Verbesserung von Kraft- und Beweglichkeit im Setting Pflege von großer Bedeutung, um dem Verlust an Muskelmasse und Knochenmasse vorzubeugen.

Neben einem gezielten, strukturierten und professionell angeleiteten Krafttraining, können hier aufgrund des teilweise sehr niedrigen Ausgangniveaus auch bereits geringe Trainingsintensitäten und -umfänge messbare Effekte haben (Hortobágyi et al., 2003). Die Digitalisierung, die natürlich auch in der Pflege inzwischen zu einem wichtigen Thema geworden ist, kann ein solches Training intelligent unterstützen. Neben sprechenden Haustieren und Pflegerobotern, die dem Personal die Arbeit erleichtern sollen und den Pflegebedürftigen ein Mindestmaß an sozialer Ansprache ermöglichen, können sogenannte Exergames einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit der Bewohner*innen leisten.

Kraft, Ausdauer und Koordination trainieren

Exergames sind Computerspiele, bei denen die Spieler*innen zu körperlichen Bewegungen und Reaktionen aufgefordert werden, ohne dass es diesen wie eine Aufgabe vorkommt, sondern eher wie ein spielerischer Zeitvertreib. Exergames machen sich also Spielspaß zu Nutze, um verschiedene bewegungstechnische und damit oftmals auch gesundheitsfördernde Ziele zu erreichen. So können spielerisch Kraft, Ausdauer oder Koordination trainiert werden. Aber auch die kognitiven Fähigkeiten werden je nach Spiel verbessert oder bleiben länger erhalten. Zu guter Letzt kommt auch die soziale Komponente nicht zu knapp, ein Exergame bringt Abwechslung und Freude in den oft eintönigen Alltag in einem Pflegeheim.

Exergame „Apfelernte“

Im Rahmen des von der DAK-Gesundheit geförderten und vom mendomovo-Partner DVGS koordinierten POLKA-Projektes (Bewegungsförderung für Pflegebedürftige und Betriebliche Gesundheitsförderung für das Personal) wurde das Exergame „Apfelernte“ entwickelt. In Anlehnung an das Lübecker Model Bewegungswelten (LMB) (Ralf et al., 2017), welches im analogen Projektpfad „Pflege“ im POLKA-Projekt zum Einsatz kommt, wurde die „Lebenswelt Apfelernte“ für das Spiel ausgewählt. Eine „Lebenswelt“ ist eine Situation, zu denen bei den Teilnehmenden Erinnerungen bestehen. So wird eine körperliche mit einer kognitiven Aktivierung verbunden. Dadurch erhöhen sich nicht nur die Motivation zum Mitmachen und die Freude an der Bewegung, sondern die Übungsanleitungen werden auch einfacher verstanden. Die Bewegungswelt reaktiviert Gedächtnisinhalte und regt Fantasie und Kreativität an (BZgA, n. d.).

Bewegung des gesamten Körpers

Eine spezielle 3D-Tiefenkamera erfasst die Bewegungen der Spieler*innen und eine sogenannte „Skelleton-Tracking“-Software „übersetzt“ diese in Bewegungen der Spielfigur. Die konkrete Aufgabe im Spiel ist es, durch Bewegungen der eigenen Hände bzw. des gesamten Körpers, die Spielfigur dazu zu bringen, virtuelle Äpfel zu pflücken und in einem virtuellen Korb abzulegen. Je nach Position der Äpfel am Baum ist es dafür notwendig, sich zu recken und zu strecken oder aufzustehen. Um den obersten Apfel zu erreichen, müssen die Spieler*innen vom Stuhl aufstehen und sich anschließend wieder hinsetzen, um den Apfel im virtuellen Korb abzulegen. Hierbei erfolgt eine Aktivierung der posturalen Muskulatur, die je nach körperlicher Leistungsfähigkeit und Wiederholungszahl bereits zu einem trainingswirksamen Reiz führen kann. Neben der Schulter- und Armbeweglichkeit sowie der Auge-Hand-Koordination soll so vor allem die Beinkraft trainiert werden, da eine gute Beinkraft einen sehr wichtigen Faktor in der Prävention von Stürzen darstellt.

Sozialer Austausch

Neben den rein körperlichen Trainingszielen, spielt auch der soziale Aspekt eine große Rolle. Das Spiel wird meistens auf Bildschirmen in den Aufenthaltsbereichen genutzt. Hierdurch werden automatisch weitere Bewohner*innen auf das Spiel aufmerksam und können leichter zum Mitmachen animiert werden. Durch das Zuschauen und das Vergleichen der Ergebnisse entsteht außerdem eine Aktivierung und ein sozialer Austausch, der den Pflegealltag bereichern kann.

Genauso wie das gesamte POLKA-Projekt, werden auch die digitalen Interventionen wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Das Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg wertet hierfür unter Leitung von Professor Dr. Gerhard Huber die vom Spiel aufgezeichneten, bzw. erhobenen Daten aus. Das POLKA-Projekt läuft noch bis Ende 2024.

Quellen:

  • BZgA. (n.d.). Älter werden in Balance – Konzept. Retrieved April 27, 2023, from aelter-werden-in-balance.de/lmb/konzept
  • Hortobágyi, T., Mizelle, C., Beam, S., & DeVita, P. (2003). Old adults perform activities of daily living near their maximal capabilities. J Gerontol A Biol Sci Med Sci, 58(5), M453–60.
  • Ralf, C., Krupp, S., & Willkomm, M. (2017). Das „Lübecker Modell Bewegungswelten“. Pflegezeitschrift, 70(11), 32–34. doi.org/10.1007/s41906-017-0276-9
  • Wingenfeld, K. (2014). Die Entwicklung der Mobilität von Heimbewohnern. Pflege & Gesellschaft. Zeitschrift Für Pflegewissenschaft, 19(2).
Links
  • Exergame Apfelpflücken Beispielbild 1

  • Exergame Apfelpflücken Beispielbild 2

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