Langes Sitzen möglichst oft unterbrechen
Der sitzende Lebensstil hat viele negativen Folgen.

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Langes Sitzen ist ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko. Feierabendsport reicht nicht aus, um die negativen Folgen des sitzenden Lebensstils auszugleichen. Prof. Dr. Gerhard Huber, Professor am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg (ISSW), erklärt, warum langes Sitzen so schädlich ist, und was man für einen bewegteren Alltag tun kann.
Herr Prof. Huber, es scheint als sei heutzutage die sitzende Haltung die dominierende Position vieler Menschen. Das Homeoffice wird diesem Verhalten wohl wenig entgegensetzen können. Was sind die gesundheitlichen Folgen des übermäßig langen Sitzens?
Prof. Dr. Gerhard Huber: Lange Zeit wurden orthopädische Probleme als die wichtigsten gesundheitlichen Folgen des sitzenden Lebensstils betrachtet. Inzwischen wissen wir aber, dass die dadurch ausgelöste muskuläre Inaktivität weitreichendere Folgen hat – bis hin zu einer vorzeitigen Sterblichkeit. Verursacht wird dies durch die Funktion der Muskulatur als ein wichtiger Produzent von sogenannten „Myokinen", die für eine Vielzahl von Prozessen im Körper verantwortlich sind. Dazu gehört beispielsweise die Entzündungshemmung, der Aufbau von Muskulatur und die Schaffung von neuronalen Verbindungen im Gehirn.
Was unterscheidet die sitzende Lebensweise „sedentariness“ von Inaktivität?
Eigentlich nichts, die sitzende Lebensweise verändert durch die geringere Muskelaktivität auch den Energieverbrauch. Dieser liegt beim Sitzen nur unwesentlich über dem Verbrauch während des Schlafs.
Können die negativen Folgen des langen Sitzens durch eine halbe Stunde Sport nach Feierabend kompensiert werden?
Studien zeigen, dass die Kompensation nur teilweise gelingt. Die Folgen einer zehnstündigen Sitzzeit kann der Feierabendsport zwar etwas abmildern, aber nicht vollständig ausgleichen. Jede Minute mehr Bewegung nützt, ebenso wie jede Minute weniger sitzen.
„Menschen sind faul, das hat sich im Verlauf der Evolution bewährt.”
Wie können Erwerbstätige im Homeoffice sich zu mehr Sitzunterbrechungen motivieren?
Menschen sind faul, das hat sich im Verlauf der Evolution bewährt. Deshalb müssen wir die Umgebungsverhältnisse so ändern, dass spätestens alle 30 Minuten eine Sitzunterbrechung notwendig wird. Das kann man erreichen, wenn beispielsweise kein Essen und keine Getränke in der Nähe sind, sondern idealerweise aus dem Keller geholt werden müssen, und wenn man beim Telefonieren immer aufsteht. Es sind einfache Regeln, die helfen.
Gibt es wissenschaftlich fundierte Methoden, die dabei helfen die Sitzzeiten zu reduzieren?
Ja, die Abfolge lautet: Sitzen vermeiden, Sitzen reduzieren, Sitzen unterbrechen und Sitzen kompensieren.
Zur Person:
Prof. Dr. Gerhard Huber ist Professor am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg (ISSW) und Leiter des Arbeitsbereichs „Prävention und Rehabilitation“. Er ist unter anderem Vorstandsmitglied des Deutschen Verbandes für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) und Mitglied des erweiterten Vorstandes der Plattform Ernährung und Bewegung. Sein Forschungsschwerpunkt ist Gesundheitsförderung durch Bewegung. Hierzu hält er Vorträge, publiziert und hat verschiedene Lehraufträge inne.