Tanzen für den Kopf
Bewegung, Musik und soziale Kontakte: Tanzen verbindet bekannte Glücksfaktoren und kann sogar die Gehirnleistung steigern
Über alle Kulturen und Epochen hinweg, im Rahmen spiritueller Rituale, bei der Partnerwerbung oder als Kunstform: der Tanz begleitet die Menschheit seit Anbeginn, kennt unzählige Erscheinungsformen und verschiedenste Bedeutungen. Dass sich Tanzen auch sehr positiv auf die Gesundheit auswirkt, ist heute wissenschaftlich gut belegt. Es kann sogar die Bildung neuer Vernetzungen im Gehirn anregen und damit dementiellen Symptomen vorbeugen. Diesen Zusammenhang haben nun Forscher aus dem griechischen Thessaloniki im Rahmen einer Studie nachgewiesen.
Die Grundlage dafür liegt in der sogenannten Neuroplastizität des Gehirns: Nervenzellen reagieren auf neue Reize und Informationen, indem sie neue neuronale Verbindungen (Synapsen) aufbauen. Während man diese Fähigkeit lange Zeit nur dem kindlichen Gehirn zugeschrieben hatte, gilt inzwischen als Konsens in der Wissenschaft, dass die Neuroplastizität lebenslang erhalten bleibt. Das heißt, auch im Alter ist Lernen sowie eine Verbesserung der Gedächtnisleistung möglich.
Je vielseitiger eine Aktivität ist, desto mehr neue Vernetzungen entstehen
Die Plastizität wird dabei umso besser angeregt, je vielseitiger eine Aktivität und damit die dem Gehirn gebotene Informationsvielfalt ist. Nachdem Tanzen als äußerst vielseitig gilt, da es Bewegung, Rhythmusgefühl, das Erleben von Musik, soziale Interaktion und das Erlernen von Schrittfolgen verbindet, interessierten sich Neurowissenschaftler im griechischen Thessaloniki für die Frage – was macht ein solches Training mit dem plastischen Netzwerk im Kopf des Menschen?
Sie führten dazu eine Studie mit Männern und Frauen im Alter von mindestens 60 Jahren und ohne Symptome einer Demenzerkrankung durch. Die Teilnehmer wurden zufällig entweder einer aktiven Kontrollgruppe oder einer Tanzgruppe zugeordnet. Letztere erlernte zweimal wöchentlich für je 1 Stunde über 24 Wochen griechische Tänze. Die Kontrollgruppe sah dagegen Wissensfilme über geschichtliche und kulturelle Themen und beantwortete dazu anschließend Fragen.
Vor, während und nach dem Training wurde die Gehirnaktivität der Probanden mittels Elektroenzephalogramm (kurz EEG) gemessen, die körperliche Fitness untersucht und psychologische Tests durchgeführt. Die EEG-Daten wurden in ein Modell eingespeist, das die Berechnung des sogenannten Small-World-Property (Klein-Welt-Eigenschaft) ermöglicht – ein Parameter, der beschreibt, ob das Gehirn stärker weitreichend vernetzt kommuniziert oder eher in kleinen Gruppen von Zellverbänden aktiv ist.
Komplexere Kommunikation zwischen den Gehirnbereichen und schnellerer Informationsfluss
Das Ergebnis: Das Tanztraining hatte die Klein-Welt-Eigenschaft des Gehirns verbessert, die Probanden der Tanzgruppe wiesen eine komplexere Kommunikation zwischen den Gehirnbereichen nach dem Training im Vergleich zur Messung vor dem Training auf. Auch innerhalb eines Gehirnbereichs hatte sich der Informationsfluss beschleunigt. Bei den Probanden der Kontrollgruppe hingegen konnte keine signifante Verbesserung der Klein-Welt-Eigenschaft des Gehirns festgestellt werden.
Auf einen weiteren Zusammenhang machten die Wissenschaftler aufmerksam: Die Teilnehmer der Tanzgruppe konnten – anders als die Teilnehmer der Kontrollgruppe – durch das Training ihre körperliche Fitness steigern. Je mehr sich ihre Fitness verbessert hatte, desto mehr neue Vernetzungen wiesen ihre Gehirn auf. Besonders profitiert hatten dabei Bereiche des Gehirns, die für Aufmerksamkeit, Bewegungsplanung- und -ausführung zuständig sind.
Das Fazit: Die komplexe Aktivierung des Gehirns durch Tanzen fördert die Plastizität des Gehirns – mit deutlich messbaren Effekten. Die Forscher schlagen das Erlernen von Tänzen als ein Element der Demenzprävention vor. Auch in der Therapie unterschiedlicher Erkrankungen wie Krebs oder Sucht kann Tanzen eine Rolle spielen. Für Menschen jeden Alters und mit oder ohne gesundheitliche Einschränkungen gilt: Tanzen ist eine intelligente Methode, Körper und Geist fit zu halten. Und sie macht Spaß.