Von der Büroarbeit zur multilokalen Displayarbeit
Wie man die Herausforderungen von morgen gesund gestaltet
Multilokale Displayarbeit sorgt für neue Möglichkeiten, aber auch für neue Herausforderungen - Bild: Krakenimages.com/Adobe Stock
Die Büroarbeit hat einen grundlegenden Wandel hinter sich. Damit einher gehen veränderte Gefährdungen und Belastungen der Beschäftigten – sowohl psychisch als auch physisch. Es gilt daher, Arbeitsbedingungen immer wieder auf den Prüfstein zu stellen, um bestehenden und neuen Herausforderungen gezielt begegnen zu können.
Es ist wohl kaum jemandem entgangen: Die statische Büroarbeit hat sich gewandelt. Sie wurde digitaler, individueller, flexibler und vielfältiger und ist inzwischen an jedem Ort, zu jeder Zeit und – vom Handy bis zum TV-Display – auf jedem verfügbaren Endgerät möglich. Fest zugewiesene Arbeitsplätze und Gleitzeit sind Vertrauensarbeit und ergebnisorientierter Displayarbeit gewichen, egal wann und egal wo. Klassische Einzel- oder Doppelbüros und Großraumbüro-Lösungen haben sich in offene Bürolandschaften verwandelt, in der Mitarbeitende nach dem sogenannten „activity based working“-Konzept für jede ihrer Aufgaben einen passenden Arbeitsplatz vorfinden und mit Kollegen teilen oder gemeinsam nutzen. Daneben bieten sogenannte Co-Working-Spaces eine weitere alternative Form des Arbeitens, bei der die Nutzer flexibel und unabhängig von der Betriebsstätte entscheiden können, wann, wie häufig und wie lange sie arbeiten und welche technischen Möglichkeiten sie benötigen. Für Teambuilding und Kreativität hat sich sogar die sogenannte Workation.1 als erfolgreich erwiesen.
Neue Möglichkeiten bringen neue Herausforderungen
Trotz all der Flexibilität und Möglichkeit, seinen Arbeitstag dank dieses Wandels freier einzuteilen: Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden dürfen angesichts dessen nicht aus dem Fokus geraten, der notwendige Anspruch an Nachhaltigkeit nicht vergessen werden. Stattdessen muss der Arbeits- und Gesundheitsschutz die mit dem Wandel verbundenen Chancen nutzen und die Gefährdungen vorausschauend erkennen, benennen und proaktiv gestalten. Eine Option, genau das zu tun, ist die sogenannte systemische Beurteilung der Arbeitsbedingungen, kurz sBA. Unabhängig von der Unternehmensgröße kann diese als vorausschauende, mitarbeiterzentrierte und kontinuierliche Beurteilung der Tätigkeiten unter Berücksichtigung individueller physischer und psychischer Beanspruchungen helfen, multilokale Büroarbeit nicht nur sicher und gesund, sondern auch erfolgreich zu gestalten.
Eine sBA betrachtet nicht nur die Gefährdungen und Belastungen durch die Arbeitstätigkeiten an sich (Belastungs-Beanspruchungs-Modell), sondern insbesondere die Beanspruchungen der Beschäftigten im Rahmen ihrer individuellen Arbeitsbedingungen im mobilen Arbeiten und ihrer Bewältigungsstrategien. Sie fokussiert unter anderem den Beschäftigten, statt im Wesentlichen technische und organisatorische Maßnahmen abzuleiten. Denn: Angesichts des demografischen Wandels und eines zunehmenden Fachkräftemangels ist der Mensch die wichtigste Ressource für Erfolg im Unternehmen. Die Gesamtheit kann nur so leistungsfähig und gesund sein, wie es das einzelne Element oder die Schnittstelle zwischen den Elementen ist.
Entsprechend lässt sich der Erfolg eines Unternehmens nur sicherstellen, wenn die Beschäftigten (P) für die eigene Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sensibilisiert sind und diese Kompetenz organisatorisch (O) und technisch (T) durch den Arbeitgeber unterstützt wird. Führungskräfte nehmen eine Vorbildfunktion ein und übernehmen Fürsorgepflichten gegenüber den Beschäftigten bei der Arbeitstätigkeit. Wichtige Aspekte sind dabei Wertschätzung, Kommunikation und Partizipation.
Multilokale Displayarbeit ist kein belastungsfreier Raum
Neben den bekannten Gefährdungen und Belastungen bei der mobilen Bildschirmarbeit (zum Beispiel ergonomische Faktoren, ständige Erreichbarkeit und Entgrenzung) hält multilokale Displayarbeit weitere bereit, die im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen betrachtet werden müssen.2 Dazu gehören beispielsweise
- Displaygröße mit Licht und Blendung, die je nach Ort, Zeit und Ermüdung des Nutzenden unterschiedlich belastend wirken,
- ungünstige, längere sitzende oder stehende Körperhaltung, die keinen Wechsel ermöglicht, wie beispielsweise im Flugzeug, in der Bahn oder im Hotel ungünstig gebeugte Kopfhaltung beim Blick auf Endgeräte,
- besondere Beanspruchung eines Arms oder eines Daumens durch Nutzung mit nur einer Hand,
- Arbeiten am Smartphone im Gehen oder während der Autofahrt und damit verbundene Gefährdungen durch Ablenkung.
Gesunde Mitarbeitende, gesundes Unternehmen
Aber was können Sie tun, um Ihre Mitarbeitenden vor diesen Gefährdungen zu schützen? Formulieren Sie gemeinsam im Team eine Vision und leiten Sie daraus Ziele ab, sodass sich Ihre Beschäftigten als Teil des Ganzen verstehen. Eine vorausschauende, systemische Beurteilung der Arbeitsbedingungen kann die individuellen Bedarfe der Beschäftigten an ihren individuellen Arbeitsplätzen berücksichtigen und geeignete Sensibilisierungs-, Bewältigungs- und Befähigungsmaßnahmen festlegen. Geeignete, ergonomische und einfach zu nutzende Arbeitsmittel sowie organisatorische Regelungen zu Arbeitszeit und Kommunikation ergänzen die Eigenverantwortung der Beschäftigten, das Richtige im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu tun.
Hier wirken klassischer Arbeitsschutz und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zusammen. Auch auf entsprechende Beratungsmöglichkeiten betrieblicher Berater sowie Sozialpartnerschaften können Unternehmer zurückgreifen.
Im Wesentlichen benötigen die Beschäftigten digitale Kompetenzen, Kompetenzen in Kommunikation und Selbstmanagement sowie zum sicheren und gesunden Arbeiten. Jedes Unternehmen sollte daher folgende Fragen für sich klären:
- Wie können Mitarbeitende motiviert werden, ihre Kompetenzen zu fördern und in ihre mobilen Arbeitsverhältnisse zu investieren?
- Welche Kompetenzen und Befähigungen benötigen die Beschäftigten, um sicher und gesund mobil zu arbeiten?
- Wie können Mitarbeitende vor den Gefährdungen multilokaler Displayarbeit geschützt werden?
- Wie führen Führungskräfte sich selbst und andere? Und wie können sie als Vorbild zum gesunden Nachahmen motivieren?
- Wie gelingt eine konstruktive Bearbeitung von Themen und Projekten im Digitalen über alle Ebenen hinweg?
Wenn wir den Wandel der Büroarbeit als Möglichkeit betrachten, neue Sichtweisen einzunehmen, mutig neue Chancen zu identifizieren und Klarheit in die eigenen Prozesse zu bringen, können wir uns in der sich verändernden Umwelt behaupten.
Sie wollen direkt herausfinden, wo Ihr Unternehmen im digitalen Wandel der Büroarbeit steht? Dann checken Sie direkt hier ein:
Check „Gute Büroarbeit“ beim Deutschen Netzwerk Büro (DNB)
Quellen:
- Vgl. VDSI-Information Nr. 03/2020 „Mobiles Arbeiten Zuhause!“. Aufrufbar unter: vdsi.de/media/vdsiinformation_03-2020_-_mobiles_arbeiten_zuhause.pdf (Login erforderlich)
- P. Tegtmeier, B. Lafrenz: „Laptop + Smartphone = ein mobiler Arbeitsplatz? Ergonomie auch an Arbeitsplätzen unterwegs“ in: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin: ASU, Zeitschrift für medizinische Prävention, Volume 57, Nr. 1, 2022. Seiten: 29-31. Basierend auf dem Artikel von Michael Schurr, VDSIaktuell 1.2024, „Ist Büroarbeit noch Büroarbeit?”