Faktencheck: Ist Demenz unvermeidlich, weil die Menschen immer älter werden?
Kognitive Reserve für mehr Lebenqualität
Die Angst, im Alter an Demenz zu erkranken, gehört zu den häufigsten Befürchtungen. Doch bekommen wirklich alle Demenz, wenn sie nur alt genug werden? Dr. Dieter Breithecker korrigiert falsche Annahmen über Alterungsprozesse und verrät, wie sich dem Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit entgegenwirken lässt.
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Eine Demenzerkrankung ist eine fortschreitende neurologische Störung, die zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten führt. Sie ist gekennzeichnet durch den Verlust des Gedächtnisses, der geistigen Flexibilität, des Denkvermögens, der Sprache und des Urteilsvermögens. Die häufigste Form von Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, aber es gibt auch andere Formen wie vaskuläre Demenz. Die Symptome und der Verlauf der Demenz können von Person zu Person unterschiedlich sein, und sie haben oft einen erheblichen Einfluss auf das tägliche Leben und die Lebensqualität der Betroffenen.
Ist Demenz wirklich unvermeidlich?
Dass praktisch jeder Demenz bekommt, der nur alt genug wird, bedarf einer dringend zu korrigierenden Sicht- und Handlungsweise. Zwar bauen unsere neuro-kognitiven Strukturen – wie übrigens alle unsere organischen Strukturen – mit zunehmendem Alter deutlich ab. Der Alterungsprozess beginnt etwa mit 25. Lebensjahr, wird sichtbar ab ca. 40 Jahren und sehr deutlich spürbar ab 70 Jahren.
Das heißt aber noch nicht, dass man auch an Demenz erkranken wird. Das Risko steigt jedoch mit zunehmendem Alter.
Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung.
Neben der Zunahme der Lebenserwartung spielt auch die genetischen Veranlagung eine Rolle – Sie macht aber nicht mehr als 20 % aus. Vor allem Einfluss haben unser westlicher Lebensstil mit Bewegungsmangel und Ernährung sowie Umweltfaktoren einen erheblichen Einfluss.
Unser Lebensstil wirkt sich direkt darauf aus, wie sich unser Erbgut im Allgemeinen organisiert, ob wir krank werden oder lange gesund bleiben. Die Epigenetik erforscht das Wechselspiel zwischen Genen und Umwelteinflüssen.
Wie lassen sich kognitive Funktionen möglichst lange erhalten?
Nicht alle Risikofaktoren lassen sich ausschließen. Deshalb sollte man in Schutzfaktoren investieren, damit sich diese mit den Risikofaktoren die Waage halten. Das belegt auch die sogenannte Nonnenstudie. Dabei handelt es sich um eine seit 1990 über Jahrzehnte durchgeführte Studie über das Altern von Nonnen. Die teilnehmenden Nonnen waren sehr aktive, hochbetagte Damen, die aber ihren Alltag sehr aktiv organisiert haben, mit Arbeit in der Landwirtschaft und in der Lehre, sie hatten auch eine soziale Gemeinschaft.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass viele Nonnen trotz ihres Alters und ähnlicher genetischer Risikofaktoren für Krankheiten wie Demenz im Alter geistig fit blieben. Die Forscher entdeckten, dass ihr Lebensstil entscheidend war. Mit ihrem Lebensstil haben sie Schutzfaktoren, eine neuro-kognitive Reserve ausgebildet und damit trotz Risikofaktoren ihre kognitive Gesundheit bis ins hohe Alter erhalten.
Wer darauf achtet, sich gesund zu ernähren, ausreichend zu schlafen, stressreduziert zu leben, sich geistigen Herausforderungen zu stellen, physische Freundschaften zu pflegen und sich vor allem regelmäßig zu bewegen, leistet einen wertvollen Beitrag zu seinen Schutzfaktoren.
Ser wichtig ist es aber, siche regelmäßige moderat zu bewegen: Wenn wir uns bewegen, werden wichtige Botenstoffe wie die neurotrophen Botenstoffe ausgeschüttet. Das sind Proteine, die für das Zellwachstum im Hippocampus sorgen, selbst im hohen Alter. Dazu kommen Hormone wie das Dopamin, das dafür verantwortlich ist, dass die neuen Nervenzellen in die Gesamtinfrastruktur des Gehirns eingebunden werden.
Wir haben es also in der Hand, dass wir unseren Lebensstil so anpassen, wie es unsere Natur aufgrund unserer Entwicklungsgeschichte verlangt. Die Entscheidung sich „artgerecht“ zu verhalten und auf diese Weise Demenz vorzubeugen oder zu verhindern, muss jeder selbst treffen. Die Belohnung dafür können einige Jahrzehnte mehr an gesteigerter Lebensfreude und Lebensqualität sein.
Der mendo:movo-Faktencheck
Viele Aussagen zu den Themen Gesundheit und Bewegung werden immer wieder wiederholt. Aber stimmen sie auch? In unserer Videoreihe stellen wir solche Aussagen auf den Prüfstand.
Dr. Dieter Breithecker ist promovierter Sportwissenschaftler und Projektleiter für „Das bewegende Büro“. Primäres Anliegen der Initiative ist es, die menschlichen Lebensräume bewegungsfreundlicher zu gestalten, um damit positive Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit zu erzielen. Breithecker ist Autor und Mitautor zahlreicher Veröffentlichungen und national wie international als Referent tätig. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von mendo:movo.