Gibt es eine „Physiologische Intelligenz“?

Bewegungsweisheiten von Dr. Dieter Breithecker

Foto: Kzenon/AdobeStock

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Ist Künstliche Intelligenz wirklich unübertroffen oder besitzen wir Menschen selbst etwas, das bisher unterschätzt und zu wenig wertgeschätzt wurde?

Betrachten wir z. B. Kinder, die beim konzentrierten Lernen auf dem Stuhl zappeln. Der geistige Fokus richtet sich auf das, was von ihnen als Aufgabenstellung gefordert wurde. Der Körper aber vollzieht komplexe (also nicht lineare) Bewegungen. Hier handelt es sich um bedarfsgerechte, „intelligente“ Verhaltensweisen, da diese erforderlich sind, die neuro-kognitiven Voraussetzungen für das Lernen durch körperliche Aktivität zu unterstützen.

Komplex agierendes Netzwerk

Diese Fähigkeiten sind unseren evolutionsbiologischen Errungenschaften geschuldet. Über Millionen von Jahren hat sich unser humanbiologisches System – und das aller Lebensformen – durch ständige Assimilations- und Akkumulationsprozesse genetisch so organisiert und optimiert („Survival of the Fittest“), dass uns heute mit dem Tag der Geburt ein komplex agierendes Netzwerk aus organischen Funktionen und Molekülen zur Verfügung steht.

Um wieder in der Sprache der KI zu argumentieren: Uns stehen somit im Zuge der entwicklungsbiologischen Errungenschaften unzählige erworbene bzw. eingespeiste Algorithmen zur Verfügung – also Handlungsanweisungen, die zielorientiert das machen, was ihnen die gespeicherte Anweisung in einer erforderlichen Situation anordnet.

Anpassungsfähig

Somit ist unser physiologisches System in der Lage, sich spontan und intuitiv an gegebene Situationen so anzupassen, wie es zur Aufrechterhaltung unseres körperlich-geistigen Wohlbefindens erforderlich ist. Einzige Voraussetzung: Diese bedarfsgerechte Anpassung darf nicht durch äußere Bedingungen eingeschränkt werden.

Auf das physiologische Sitzverhalten bezogen bedeutet dies. Kinder und Erwachsene benötigen im Zuge zunehmender Sitzzeiten dringend Sitzobjekte mit speziellen Sitzmechaniken, die eine mehrdimensional bewegliche Sitzfläche integriert haben. Die in unserem System eingespeisten Algorithmen mit entsprechenden körperlich-dynamischen Handlungsanweisungen werden somit so ganz nebenbei in ihrer Entfaltung unterstützt („physiologisch intelligentes Sitzverhalten“), ähnlich wie es beim freien Stehen der Fall ist.

Zusammenspiel wird unterstützt

Das heißt, die natürliche „Bewegungslogik“ des Sitzenden wird aufgenommen und nicht blockiert. Neben einer verbesserten Durchblutung des Gehirns wird vor allem das Zusammenspiel von Sensoren, Nerven, Gehirn und Muskulatur (Sensomotorik) unterstützt.  Dadurch werden wichtige biochemische Vorgänge – molekulare Botenstoffe wie neurotrophe Wachstumsfaktoren – freigesetzt, die sich positiv auf unsere neuro-kognitiven Funktionen wie Aufmerksamkeitssteuerung oder Arbeitsgedächtnis auswirken.

Mit unserer Reihe „Bewegungsweisheiten“ gehen wir dem Thema Bewegungsförderung auf den Grund und betrachten dabei die neuesten Erkenntnisse. Gleichzeitig bekommen Sie praktische Tipps für Ihren Alltag.

Dr. Dieter Breithecker

Dr. Dieter BreitheckerDr. Dieter Breithecker ist promovierter Sportwissenschaftler und Projektleiter für „Das bewegende Büro“. Primäres Anliegen der Initiative ist es, die menschlichen Lebensräume bewegungsfreundlicher zu gestalten, um damit positive Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit zu erzielen. Breithecker ist Autor und Mitautor zahlreicher Veröffentlichungen und national wie international als Referent tätig. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von mendo:movo.

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