Wahrnehmung fördern
Ich sehe was, was du nicht siehst
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ob das, was Sie glauben mit den Augen wahrgenommen zu haben, auch tatsächlich so aussieht? Noch nicht? Dann kann der folgende Artikel Ihre „Sichtweise“ verändern. Denn äußerst bedeutungsvoll und unter Umständen auch lebensbedrohlich sind mangelnde Fähigkeiten des visuellen Systems.
Unsere Augen liefern über die Sehnerven Daten an unser Gehirn. Sie sind also ein vorgeschobener Teil des Gehirns, dienen aber nur als Instrument. Die eigentliche visuelle Wahrnehmung findet in der Sehrinde am hinteren Ende unseres Gehirns statt. Auf dem Weg dorthin manipuliert unser Gehirn die Daten. Lediglich etwa 30 % der von den Augen gelieferten Daten kommen unverändert hinten an. Der Rest wird auf Basis von Erfahrungen angepasst. Das bedeutet, dass jeder von uns etwas anderes sieht – nämlich das, was unser Gehirn aus den eingehenden Signalen herausfiltert. Es besteht also ein Unterschied zwischen dem, was unsere Augen sehen, und dem, was unser Gehirn wahrnimmt.
Wie groß dieser Unterschied ist, hängt von vielen Faktoren ab. Eine große Rolle spielt die Abweichung der Bewegungen beider Augen, wenn sie eigentlich das gleiche machen sollen, wie zum Beispiel beim Verfolgen eines bewegten Objekts. Wenn wir die Augen von rechts nach links bewegen, übernimmt das beim rechten Auge der nasenseitige Muskel, beim linken Auge der ohrseitige Muskel. Diese beiden Muskeln sind aber unterschiedlich lang, sodass sich die Augen sehr häufig nicht ganz synchron bewegen.
Fusionsvorgang im Gehirn
Dadurch kommen zwei verschiedene Bilder in der Sehrinde an, die unser Gehirn dann zu einem verschmelzen muss, damit wir alles sauber sehen können. Dieser Fusionsvorgang leidet unter diversen Rahmenbedingungen. Wenn wir Stress oder großen Zeitdruck haben, schafft es unser Gehirn nicht mehr, die gesamte Datenmenge zu fusionieren und muss sich dann entscheiden, welches Übel das Geringere ist: Teilinformationen von beiden Augen weglassen oder nur die Informationen eines Auges zu nutzen. In beiden Fällen schränkt es unser peripheres Sehen mehr oder weniger stark ein. Oft bleibt dann nur noch der Tunnelblick übrig und wir „übersehen“ als Lenker eines Autos einen Fahrradfahrer, der von rechts in die Straße einbiegt. Bei der Unfallaufnahme versichern wir dann dem Polizisten, dass wir ihn nicht gesehen haben. Streng genommen ist das eine Falschaussage. Denn gesehen haben ihn unsere Augen schon, aber unser Gehirn hat ihn nicht wahrgenommen.
Auch Alkoholeinfluss bremst den Fusionsvorgang aus. Das konnte jeder schon einmal feststellen, der über den Durst getrunken hat und dann verzweifelt versucht, herauszufinden, welches der beiden Bilder denn nun das Richtige ist. Schwindel und unkontrollierte Bewegungen sind die Folge.
Mit Training Risiken minimieren
Es macht also durchaus Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, wie man diese Risiken minimieren kann. Life Kinetik, ein Training, das Wahrnehmung, flexible Körperbeherrschung und kognitive Aufgaben in Kombination mit viel Spaß trainiert, verbessert auch die Fusion. Eine Untersuchung im Rahmen einer Masterarbeit an der FH Wiener Neustadt konnte belegen, dass die Life-Kinetik-Gruppe bereits nach einem achtwöchigem Life-Kinetik-Training mit 60 Minuten pro Woche in der eben beschriebenen Fusion um 22 % besser abschnitt als die Kontrollgruppe. Auch in anderen Bereichen der visuellen Wahrnehmung, wie etwa der Phorie (Abweichung der Augenposition), der Stereopsis (räumliche Wahrnehmung) oder der Zielfixierung wurden deutliche Verbesserungen zwischen 13 % und 31 % gemessen.
Wir müssen uns also nicht mit den eigenen Unzulänglichkeiten zufriedengeben. Mit einem passenden Training wird die Diskrepanz zwischen Sehen und Wahrnehmen kleiner und somit die Wahrscheinlichkeit einer Fehlinterpretation geringer. Das kann letztendlich den Ausschlag geben, ob eine Situation problemlos gemeistert werden kann oder ob es gefährlich wird. Schließlich basieren mehr als 80 % der täglichen Handlungen darauf, was wir vorher visuell wahrgenommen haben. Je näher das an der Realität liegt, desto geringer ist das Unfallrisiko.